Ein Plädoyer für das alltägliche Abenteuer
Am schönsten wäre es, wenn wir die Erlebnispädagogik in ihrer aktuellen Dimension und Ausprägung gar nicht bräuchten. Warum schreibe ich das auf einer Seite, die Erlebnispädagogik anbietet? Wenn du das wissen möchtest, dann empfehle ich dir weiterzulesen!
„Wenn sich Eltern, Lehrerinnen oder Trainer einmischen, wird [das freie Spiel, durch welches Heranwachsende Selbstkontrolle, gemeinsame Entscheidungsfindung und Ergebnisakzeptanz erlernen,] weniger frei, weniger spielerisch und weniger positiv. Erwachsene können meist nicht anders, als zu dirigieren und zu beschützen.“ (Haidt 2024, S. 71)
In seinen Untersuchungen zum Wandel der „spielbasierten Kindheit“ zur „smartphonebasierten Kindheit“, zeigt der Sozialpsychologe Jonathan Haidt an der New York University eindringlich, warum es von entscheidender Bedeutung ist, das unbeaufsichtigte Spielen im Freien mit seinen Risiken und Herausforderungen wieder zu stärken (vgl. S. 90).
Ermöglichen Erwachsene kein risikoreiches Spielen, sondern antizipieren und lösen sie mögliche Risiken auf, indem sie fortwährend beaufsichtigen, sich einmischen oder Konflikte unterbinden, fällt es Heranwachsenden erheblich schwerer physische, psychologische und soziale Kompetenzen für ihr Selbstvertrauen aufzubauen. Wie Haidt zeigt, ergibt sich durch diese „furchtsame Erziehung“, einen „Sicherheitskult“ (S. 111 ff.) und schließlich insbesondere dem Wandel hin zu einer smartphonebasierten Kindheit der Grund für einen rapiden Anstieg von Angststörungen und Depressionen (S. 35 ff.).
Erlebnispädagogik als grundlegende pädagogische Haltung
Die Erlebnispädagogik ist ein vielversprechender Ansatz. Sie unterstützt die Wagnisbereitschaft und die Verantwortungsübernahme.
Doch wenn wir Erlebnispädagogik nur als spannende Dienstleistung während einer Klassenfahrt betrachten und sie als im doppelten Sinne einmaliges Erlebnis stilisieren, dann entkoppeln wir ihren Beitrag für eine gesunde psychosoziale Entwicklung von der Alltagserfahrung Heranwachsender. Herausforderungen, denen sich die Heranwachsenden in erlebnispädagogischen Angeboten stellen, bestehen dann isoliert oder sogar im Gegensatz zum prägenden Familien- und Schulleben.
Erlebnispädagogisch handeln, muss in erster Linie also bedeuten, dass Eltern und Pädagoginnen eine Haltung einnehmen, die abschätzbare Risiken und Konflikte zulässt. Pädagogen müssen innehalten und sich fragen, weswegen sie Situationen für problematisch erachten und intervenieren. Reagieren sie tatsächlich auf eine Gefahr für die Heranwachsenden oder nur auf ihre eigene Angst vor Unkontrollierbarem.
So wenig Vorgaben wie möglich, so viele wie nötig.
Mit meinen niedrigschwelligen Abenteuerangeboten will ich das Abenteuer mehr in den Alltag von Kindern und Jugendlichen rücken. Alles, was wir gemeinsam machen, versuche ich so konzipieren, dass es zum großen Teil auch ohne mich als Erlebnispädagogen auskommen kann bzw. dass es ohne mich wiederholbar oder weiternutzbar ist. Vorreiter für diesen Ansatz ist mein Abenteuerangebot Phantasiereise. Hierbei entdecken und erleben Kinder weitestgehend selbstgesteuert Abenteuer. Begleitet werden sie dabei von ihrer Phantasiekarte. Aber auch die Wald Challenges legen einen Fokus auf das einfache und naheliegende Wagnis, statt auf großes Actionfeuerwerk.
Literatur
Haidt, J. (2024). Generation Angst. Hamburg (Rowohlt).